Gratis-Foto-Workshop - Teil 2





„Fotografieren lernen – Wie funktioniert eine Kamera“




Teil 2 - Die Belichtungszeit


Heute wird es kreativ… es geht um die Belichtungszeit.

Mit Hilfe der Belichtungszeit bestimmen wir, wie lange Licht auf den Bildsensor trifft. In dem ich die Dauer der Belichtung verlängere, kann man z.B. Lichter vorbeifahrender Autos aufzeichnen oder die Lichtspuren am Sternenhimmel. Man kann Wasser “weichzeichnen” indem man mit längerer Belichtungszeit das vorbeifließende Wasser aufnimmt und dem Wasserfluss etwas sehr weiches, milchiges gibt. Oder man malt mit einer Taschenlampe oder dem Handylicht etwas in die Luft(z.B. ein Herz) Eine lange Belichtungszeit von mehreren Sekunden sorgt dafür, dass alle Lichtspuren auf dem Bildsensor landen und kleine Kunstwerke entstehen.

Die Belichtungszeit ist neben Blende & ISO also der Parameter an der Kamera, mit dem man sich sehr kreativ austoben kann.

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Wie wird die Belichtungszeit gesteuert?

Direkt vor dem Bildsensor sitzt bei gängigen Spiegelreflexkameras der “Verschlussvorhang”. Mit der Belichtungszeit kann ich steuern, wie lange dieser Vorhang geöffnet wird und wie viel Licht ich auf den Sensor fallen lasse. Bei modernen Systemkameras gibt es diesen Verschlussvorhang nicht mehr, stattdessen legt man mit der Belichtungszeit fest, mit welcher Geschwindigkeit der Bildsensor abgetastet/ausgelesen werden soll. Die Wirkungsweise bleibt aber die Gleiche. In einer bestimmten Zeit nimmt der Bildsensor Licht auf.

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Was ist die Belichtungszeit?

Die Belichtungszeit(oft auch Verschlusszeit genannt) ist also die Dauer, in der Licht durch das Objektiv auf den Bildsensor fällt. Je länger diese Zeit ist, umso mehr Licht kommt natürlich auch auf dem Sensor an. Um das Bild nicht zu überbelichten muss man mit der Blende(Teil 1 dieser Workshopreihe) entgegenwirken.

Hier gibt es ein gutes Beispiel aus dem Haushalt um sich bildlich etwas besser zu verdeutlichen wie Blende und Belichtungszeit zusammenhängen, denn Wasser und Licht lassen sich in dem Fall gut vergleichen.

Wir stellen uns vor wir haben einen Messbecher und einen Wasserhahn. Um Boden des Messbechers(unseren Bildsensor) komplett zu bedecken muss man über eine bestimmte Zeit Wasser in den Messbecher fließen lassen. Die Größe des Wasserstrahls entspricht dabei der Größe unserer Blendenöffnung. Durch eine große Öffnung fließt in kurzer Zeit viel Wasser(bzw. Licht) um den Boden zu bedecken... durch eine kleine Öffnung fließt wenig Wasser(bzw. Licht) und wir brauchen dementsprechend länger(längere Belichtungszeit) um den Boden des Messbechers zu bedecken.

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Wasserhahn-Beispiel

Öffne ich den Wasserhahn sehr weit(=weit geöffnete Blende) fließt viel Wasser(Licht) in den Messbecher(auf den Bildsensor). Wir müssen den Wasserhahn also nur kurz öffnen(kurze Belichtungszeit), um den Boden des Messbechers zu bedecken.

Öffne ich den Wasserhahn hingegen nur leicht(also eine geschlossene Blende) und es fließt nur wenig Wasser, müssen wir länger Wasser(Licht) fließen lassen, um den Boden des Messbechers in der selben Menge zu bedecken(lange Belichtungszeit).

So hängt die Wahl der Belichtungszeit also immer auch von der gewählten Blendenöffnung ab, damit wir ein korrekt belichtetes Foto bekommen. Um das Foto verwacklungsfrei zu haben, sollte die Belichtungszeit zusätzlich auch auf das gewählte Objektiv abgestimmt sein(mehr dazu in den Tipps & Hinweisen am Ende dieses Workshops)



Was bedeuten die Werte im Display?

Die Belichtungszeit wird in Sekunden angegeben. Bei längeren Sekundenwerten mit z.B. 4 Sekunden steht im Display = 4”(die Anführungsstriche dahinter sollen verdeutlichen dass man im Sekundenbereich ist). Bei kürzeren Belichtungszeiten unter 1 Sekunde wird der Bruch angezeigt, z.B. 1/200(also eine zweihundertstel Sekunde). Bei manchen Kameras auch nur die Zahl ohne das Bruch-Zeichen.

Die Werte reichen in den gängigsten Kameras von 30 Sekunden(was einer langen Belichtung entspricht) bis zu Werten von 1/8000 Sekunden(eine acht tausendstel). In der Regel fotografiert man mit Werten von 1/125 sek. bis 1/600 sek. Dies reicht in normal beleuchteten Umgebungen aus und man bekommt verwacklungsfreie Aufnahmen.So kann man ganz normal aus der Hand heraus fotografieren und erhält trotzdem noch möglichst verwacklungsfreie Bilder.

Bei einer Langzeitbelichtung über mehrere Sekunden kannst du aber auch tolle Ergebnisse bekommen und mit ein bisschen Übung kleine Kunstwerke schaffen. Für längere Belichtungszeiten von mehreren Sekunden empfiehlt sich allerdings ein Stativ, da man das Bild freihändig ansonsten verwackeln würde. Anstatt einem Stativ kann man die Kamera natürlich auch irgendwo auf einen festen Untergrund legen. Hauptsache die Kamera wird während der Aufnahme/Belichtung nicht bewegt.






Welche Werte nehme ich für was?

Mit einer kurzen Belichtungszeit kann man schnell bewegende Objekte(Hunde, Autos, Wasserspritzer, etc.) gestochen scharf fotografieren. Man spricht hier oft auch von “Ein Motiv einfrieren”, da man die Bewegung ohne Verwacklungen auf dem Bild festhält. Oder man gibt dem Bild mit einer längeren Belichtungszeit und einer gezielten Bewegungsunschärfe eine gewisse Dynamik. Wenn man auf dem Bild sieht dass etwas in Bewegung ist, muss es also nicht immer schlecht sein.

Kurze Belichtungszeiten(zwischen 1/400 sek. oder kürzer bis 1/8000 sek):

  • für sich schnell bewegende Motive(Hunde, Autos, rennende Kinder, etc.) die man auch möglichst scharf, ohne Bewegungsunschärfe, fotografieren will

  • wenn man draußen viel Sonne bzw. zu helle Lichtverhältnisse hat und die Blende nicht weiter schließen will, sollte man dementsprechend kurz belichten

  • wenn man z.B. Wasserspritzer sehr detailliert festhalten möchte

Kurze Belichtungszeit von 1/1250 sek. um die einzelnen Wasserspritzer detailliert einzufangen

Kurze Belichtungszeit von 1/1250 sek. um die einzelnen Wasserspritzer detailliert einzufangen





Lange Belichtungszeiten(zwischen 1/20 sek. oder länger bis 30 sek):

  • wenn man einem bewegenden Objekt(z.B. rennendes Kind) im Bild eine tolle Dynamik geben will und eine gewisse Bewegungsunschärfe möchte

  • wenn man Lichtspuren aufzeichnen will(vorbeifahrende Autos, Sternenhimmel)

  • wenn man Wasser weichzeichnen will um dem Flusslauf etwas weiches, milchiges zu geben

Längere Belichtungszeit von 1/15 sek um das Wasser sehr weich einzufangen

Längere Belichtungszeit von 1/15 sek um das Wasser sehr weich einzufangen

Wenn man bei normalem Tageslicht(wie auf dem Bild oben) eine Langzeitbelichtung machen will wird man überwiegend weisse, unbrauchbare Bilder bekommen, da zu viel Licht vorhanden ist und sich die Blende oft nicht weit genug schließen lässt um dies auszugleichen. Hier empfiehlt sich der Kauf von ND-Filtern die es in verschiedenen Stärken gibt(1:8 / 1:64 / 1:1000). Die wirken im Prinzip wie eine Sonnenbrille für das Objektiv. Man schraubt sie vorne auf das Objektiv und kann dadurch deutlich länger belichten da die “Sonnenbrille” jede Menge Licht filtert.

Beim Kauf der ND-Filter auf den richtigen Durchmesser des Objektivs achten welches man nutzen will. Dieser Durchmesser steht im vorderen Objektivring. Im unteren Beispiel die Zahl hinter dem “Durchmesser”-Symbol von 77mm.

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Kreativ werden mit langer Belichtung

Die Belichtungszeit kann aber auch sehr kreativ eingesetzt werden. Meist spricht man hier von “Langzeitbelichtungen”, die länger als 1 Sekunde sind. Bei Wasser oder sich bewegenden Lichtern kann man sich hier kreativ austoben.

Belichtungszeit = 20 Sekunden / Blende f/11

Belichtungszeit = 1 Sekunde  /  Blende f/16

Belichtungszeit = 1 Sekunde / Blende f/16

Belichtungszeit = 2 Sekunden / Blende f/14



Mit Taschenlampen, Wunderkerzen, dem Handy oder bunten LED-Lichtern und einer Belichtungszeit von mehreren Sekunden kann man hier kreativ werden.




Die Grenzen der Kreativität

Der Nachteil einer lange Belichtungszeit ist, dass natürlich seeehr viel Licht auf den Bildsensor fällt und man mit dem schließen der Blende(Teil 1 dieses Workshops) gegensteuern muss. Hier können Kameras bzw. die Objektive dann aber irgendwann auch an ihre Grenzen stoßen. Die Bildqualität wird mit längerer Belichtungszeit auch meist schlechter.

Die typisch langzeitbelichteten Bilder entstehen meist mit einer Belichtungsdauer von z.B. 30 Sekunden und einer gleichzeitig weit geschlossenen Blende von f/16. So gleicht man den langen Lichtfluss von 30 Sekunden mit einer sehr kleinen Blendenöffnung wieder aus(siehe Wasserhahn-Beispiel). Ein Hilfsmittel im Kameradisplay ist hier die “Belichtungsanzeige” (mehr dazu gleich)

Achtet man nicht auf die Belichtungsanzeige im Display, sehen langzeitbelichtete Bilder schnell aus wie das u.a. Beispielbild:



Nutzen der “Belichtungsanzeige”

Die Belichtungsanzeige finden wir im Display oder auch direkt im Sucher der Kamera und sieht wie folgt aus:

Die Skala der Belichtungsanzeige reicht von -3 bis +3. Im Idealfall zeigt der kleine Pfeil in die Mitte

Die Skala der Belichtungsanzeige reicht von -3 bis +3. Im Idealfall zeigt der kleine Pfeil in die Mitte

Dieses kleine Hilfsmittel solltest du immer im Auge haben, da die Kamera anzeigt ob das angezeigte Bild im Moment zu dunkel(-3) oder viel zu hell(+3) ist. Im Idealfall liegt der kleine Pfeil darüber irgendwo im mittleren Bereich bei -1 / 0 / +1.

Bei der Wahl der Belichtungszeit oder der Blende also auch immer einen Blick auf die kleine Skala am unteren Rand werfen. So gibt es keine Überraschungen mit unterbelichteten oder überbelichteten Bildern.


Zusammenfassung

Die Belichtungszeit ist die Dauer in Sekunden, in der man den Bildsensor belichtet. Wie bei der Blende kann man die Lichtmenge anhand der Belichtungszeit selbst einstellen. Die Werte werden in Sekunden angegeben und reichen in den meisten Kameras von 30 Sekunden(lange Belichtung) bis 1/8000 Sekunde(kurze Belichtung). Je nachdem was man fotografiert entscheidet man zwischen einer

  • kurzen Belichtungszeit - für schnell bewegende Motive bzw. wenn etwas sehr detailliert ohne Bewegungsunschärfe eingefangen werden soll

  • lange Belichtungszeit - für etwas Dynamik im Bild bei sich bewegenden Motiven / wenn man Lichtspuren einfangen will / um Wasser sehr weich aussehen zu lassen / man sollte bei langen Belichtungen ein Stativ oder festen Untergrund verwenden um Verwackler zu vermeiden / der Kauf von ND-Filtern empfieht sich bei Langzeitbelichtungen im Tageslicht

Mit LED-Lichtern, Taschenlampen etc. kann man tolle Langzeitbelichtungen machen. Nachteil einer längeren Belichtung ist, dass man aufgrund der Lichtmenge oft mit der Blende gegensteuern muss um das Foto nicht zu überbelichten.

Tipps und Hinweise

Für verwacklungsfreie Bilder mit kurzen Belichtungszeiten:

  • je kürzer die Belichtungszeit, umso knackig schärfer wird das Bild(wenn der Fokus sitzt ;) ). Hier sollte man, je nach Geschwindigkeit des Motivs, eine Belichtungszeit von 1/400 sek. oder kürzer eingestellt werden um eine Bewegungsunschärfe zu vermeiden

  • kurze Belichtungszeiten können gut und spontan aus der Hand fotografiert werden

  • man sollte beim einstellen der Belichtungszeit auf die Brennweite des Objektivs achten. Hier gibt es die Faustregel “Brennweite = Belichtungszeit”. Bei einem 50mm Objektiv sollte die Belichtungszeit also mindestens 1/50 sek. betragen… besser 1/80 sek. oder kürzer.

Für kreative Bilder mit langen Belichtungszeiten:

  • den ISO-Wert der Kamera möglichst niedrig lassen(ISO 200 / ISO 400). Mehr zum ISO-Wert gibt es im 3. Teil dieser Workshop-Reihe

  • bei längeren Belichtungszeiten auf jeden Fall ein Stativ verwenden oder sich einen stabilen Untergrund für die Kamera suchen. Jeder Wackler beeinflusst die Bildqualität

  • auf störende Lichtquellen achten. Wenn man die Sterne fotografieren will und eine lange Belichtungszeit wählt, können die Lichter der Stadt oder eines Industriegebietes für eine sogenannte “Lichtverschmutzung” sorgen. Wir nehmen es mit bloßem Auge vielleicht nicht so stark wahr, die Kamera saugt in den z.B. 30 Sekunden Belichtungszeit aber sehr viel Licht auf und lässt vom Sternenhimmel am Ende auf dem fertigen Bild nicht viel übrig. Die Sterne sind eher schwach zu erkennen, dafür die Lichtsilhouette der Stadt umso stärker.

  • wenn man zu Hause mit der Lichtmalerei spielen will, sollte es auch wirklich dunkel im Zimmer sein. Auch hier können leuchtende Steckdosen oder das Licht eines Weckers für einen ungewollten Lichtschein sorgen. Die Person die mit dem Licht malt sollte dunkel gekleidet sein, da ein helles Shirt wieder Licht reflektiert und man es im fertigen Bild sehen würde

  • Langzeitbelichtungen saugen den Akku schneller leer, da der Sensor länger arbeiten muss. Zur Not mal 1-2 Akkus mehr in den Fotorucksack packen um im perfekten Moment nicht mit leerem Akku dazustehen

  • und zum Schluss noch ein wichtiger Tipp: Nimm bei Langzeitbelichtungen den “Selbstauslöser” und stelle ihn auf 2 Sekunden oder 5 Sekunden. Warum? Weil dadurch Verwacklungen minimiert werden. Das Drücken mit dem Finger auf den Auslöser kann zu Verwacklern führen wenn die Kamera im selben Moment anfangt aufzunehmen. Lieber den Selbstauslöser auf 2 Sekunden stellen…. den Auslöser drücken… die Kamera fängt an zu blinken und löst erst 2 Sekunden nach dem Auslöse-Wackler aus.


Natürlich kratze ich mit diesen Infos wieder nur an der Oberfläche. Für ein Grundverständnis zwischen Blende / Belichtungszeit / ISO sind diese Infos aber ausreichend. Jetzt heisst es “Üben… Üben… Üben” und den kreativen Ideen freien Lauf lassen. Es gibt so viele tolle Möglichkeiten mit Licht zu arbeiten. Zum Thema “Lichtsetzung” werde ich in Teil 4 dieses Gratis-Foto-Workshops kommen.

Bei Fragen könnt ihr mir gerne eine Email schreiben.

Liebe Grüße und viel Spaß beim ausprobieren.

Andi Wustl :)

Teil 3 der Workshop-Reihe mit dem Thema “ISO-Wert & Programm-Automatiken” kommt in den nächsten Tagen. Seid gespannt…